Die meisten Motorradhersteller verbauen Federungen für Fahrer mit einem Gewicht von ca. 75 kg Körpergewicht. Sollte man schwerer oder leichter sein, benötigt man eigentlich eine andere Feder.
Wie Motorradhersteller auf nur 75 kg Körpergewicht bei Fahrer kommen, bleibt wohl deren Geheimnis. Vor allem, da sich in den Märkten, wo die meisten dieser Maschinen verbaut werden wohl kaum ein Fahrer mit 75 kg finden wird. Auch ein Supermodel mit einer Größe von 175 cm und stolzen 50 kg Körpergewicht kommt mit Schutzkleidung bei einem ‚nackten‘ Bike (ohne Zusatzausstattung) auf diesen Wert. Bei einem Wochenendtrip mit Schutzkleidung, Motorschutz, Sturzbügel, Kofferträger, Koffer und Gepäck auf über 100 kg. Und wer von uns ist schon ein Supermodel?
Also sollte man für größere Abenteuer definitiv über zumindest eine neue Feder oder besser gleich über ein neues Federbein nachdenken.
Wir haben uns 2020 für Federbeine von Touratech entschieden, da Wilbers und Ölhins keine Federbeine für eine tiefergelegte F700 GS im Sortiment hatten. Für die F700 GS gab es ein Level 2 und für die F800 GS das High End (da dieses damals gerade zum gleichen Preis wie das Level 2-Federbein angeboten wurde).
Nach dem Ausfüllen der Datenblätter von Touratech hat es ein paar Wochen gedauert, bis die - auf unsere Reisepläne abgestimmten - Federbeine, eingebaut waren. Schon bei der Heimfahrt von der Werkstatt bemerkten wir den Unterschied beim Fahren und voll beladen wurde er noch deutlicher.
Die ersten 30.000 km schluckten die Federbeine alles, was wir ihnen vorsetzten, ohne zu murren und das noch dazu voll beladen.
Erste Probleme
Das erste richtige Problem hatten wir nach fast genau 30.000 km Fahrleistung. Kurz vor Seattle, der einzigen Touratech Werkstatt im Westen der USA, war das hintere Federbein der F800 GS voll mit Öl. Ein Weiterfahren mit einem kaputten Federbeinwollten wir nicht riskieren, daher brachten wir gleich beide ausgebaut in die Werkstatt. Das der F700 GS für ein normales Service und das andere zur Reparatur.
Kurz nach der Abgabe gab es einen Anruf. „Ein Teil im Federbein klemmt und ist nur mit Gewalt zu öffnen. Entweder es funktioniert oder es ist kaputt.“ Für die Antwort brauchte ich (Andreas) nicht lange zu überlegen, da es so oder so kaputt wäre. An diesem Tag dürfte jedoch mir das Universum gut gesinnt gewesen sein und der Versuch, es mit Gewalt zu öffnen, funktionierte und wir bekamen ca. 3 Stunden später die servicierten Federbeine retour.
Uff. Nochmals Glück gehabt. Ich hätte zwar dort ein neues Federbein kaufen können, allerdings zum doppelten Preis als in Österreich. Die Preispolitik haben wir schon bei BMW nicht verstanden, da Zoll, Steuern und Versand definitiv nicht 100% ausmachen. Das riecht eher nach Abz…
Wie es zu diesem Problem mit dem Ölverlust – vor allem bei dem „High End“-Federbein kommen konnte, konnte uns nicht erklärt werden. Auch erstaunte uns die Antwort auf die Frage, wie oft den Service gemacht werden soll, da ich von Österreich noch einen Richtwert von ca. 30.000 km im Kopf hatte. Zwischen 3.000 und 30.000 km liege der Serviceintervall. Wir können schon verstehen, dass der Serviceintervall von Fahrstil, Untergrund beim Fahren und Beladung abhängig ist, aber 3.000 bis 30.000 km ist doch eine etwas große Spanne. Also darf ich als Kunde „Versuchskaninchen“ spielen und wenn es schief geht, heißt es: „Wären Sie doch nur früher zum Service gekommen!“?
Es wird nicht einfacher
Zum Zeitpunkt des Kaufes wurde uns versichert, dass ein Service quasi überall möglich ist und Touratech überall auf unserer Route vertreten ist. Leider mussten wir aktuell spätestens in Südamerika feststellen, das Touratech keinen, wie auch immer gearteten, After-Sales-Support bietet. In Quito – hier gibt es eine große Touratech-Vertretung – können wir nicht einmal Ersatzteile für ein Service kaufen. Diese sind mit Stand April 2024 auch nicht mehr bei Touratech in den USA bestellbar, da jegliches Service und auch der Teileverkauf eingestellt wurden. Sorry, wir verkaufen zwar etwas Teures aber spätestens nach dem Kauf interessiert und das Ganze nicht mehr?
Hinzu kommt noch, dass Touratech (ist ja ein gebrandetes Traction Federbein) zwar tolle Federbeine baut, die jedoch nur mit Spezialwerkzeug zu warten sind. Also kein After-Market-Support und dann schaut man noch, dass es ja kein anderer warten kann. Eine perfekte Kombination für Weltreisende.
Fazit
Würden wir es wieder kaufen? Hier müssen wir leider mit einem definitiven "Nein" antworten. Zwar sind wir nach rund 120.000 km bis auf das eine Problem immer noch sehr zufrieden mit unseren Federbeinen und bereuen den Umstieg und die damit verbunden Kosten nicht. Vor allem, da sich das Fahrverhalten der Motorräder deutlich zum positiven gewandelt hat und wir weit mehr Reserven beim Fahren haben. Diese stellen einen erheblichen Sicherheitspolster dar.
Leider ist Servicierbarkeit auf einer Reise ein großes Thema und dies ist bei Touratech definitiv nicht oder nicht mehr gegeben. Weder bekommt man Ersatzteile (wir haben welche nur über 3 Ecken bekommen), noch sind die Teile wirklich – außer mit Spezialwerkzeug und Spezialkenntnissen – zu servicieren.
Wäre das „High End“ nicht im Angebot gewesen, würde ich den Aufpreis nicht zahlen, da ich auf meinen Reisen, die Extra-Funktionalitäten nie in Anspruch nehme. Auch wenn ich über die Antwort hinsichtlich der Serviceintervalle immer noch etwas erstaunt bin, gibt es zumindest Angaben diesbezüglich. Lt. BMW braucht das originale Federbein zB. gar kein Service. BMW dürfte mehrere magische Komponenten in seinen Motorrädern verbaut haben, die nicht zu verschleißen scheinen.
Unser Fazit ist also: eine gute Federung sollte jedes Motorrad haben! Mit welcher Federung hüpft ihr denn auf den Straßen herum?
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