Warum man das perfekte Weltreisemotorrad kaufen kann und trotzdem nicht weit kommt (aus der Sicht eines BMW-Fahrers).
Wieviel kann man in diversen Berichten, Beiträgen, Foren etc. darüber lesen, was das perfekte Weltreisemotorrad ausmacht und warum es nicht ein anderes Motorrad sein kann. In diese Diskussion möchten wir mit diesem Artikel gar nicht einsteigen, da man eine Weltreise quasi mit jedem Motorrad machen kann. Dies haben unzählige Leute eindrucksvoll bewiesen. Ob man auf Reisen ist mit einem 50ccm-Roller, mit einer R1 (wie Sjaak Lucassen) oder mit welchem fahrbaren Gerät auch immer.
Aber ein Punkt, den wir und viele andere Reisende leidvoll erleben mussten, geht leider in allen diesen Diskussionen unter. Was macht man mit einem Motorrad, wenn es einmal ein „Problem“ gibt?
Und in Probleme unterschiedlen Ausmaßes wird jeder Reisender früher oder später einmal laufen. Hier fängt leider das Problem mit dem perfekten Weltreisemotorrad an oder - besser gesagt - mit dem Hersteller dessen. Woher bekomme ich die entsprechenden Ersatzteile und - sofern notwendig - wo finde ich einen Mechaniker, der sich mit meinem Motorrad auskennt?
Dieser Gedanke kam uns natürlich bereits vor der Reise und wir haben uns damals angesehen, wo es denn überall offizielle BMW-Motorradmechaniker und BMW-Servicestellen gibt. BMW ist bekanntlich eine Marke, die weltweit vertreten ist und einen ausgezeichneten Ruf hat. Auf unserer ungefähr geplanten Route gibt es etliche solche Stellen. Also sollte doch eigentlich alles in Ordnung sein - dachten wir uns zumindest damals. Leider ein grober Denkfehler, wie es sich herausstellen sollte.
Aber einmal von Anfang an (alle Gegebenheiten trugen sich in offiziellen BMW-Werkstätten zu und diese haben wir zum Teil auch schon in anderen Posts beschrieben):
Als wir unsere zwei Motorräder bei einem namhaften BMW-Händler in Wien kauften, fing das Problem mit BMW eigentlich schon an. Mit einem Problem, das BMW natürlich auf Garantie erledigen würde: Allerdings nur, wenn wir nur rechtzeitig gekommen wären. Sind wir auch, allerdings konnte die Werkstatt angeblich keinen Fehler finden. Ein Jahr später wurde der Fehler dann gefunden, aber dann waren alle Einträge im System auf mysteriöse Weise verschwunden. Beim Schalten hakt das Getriebe manchmal zwischen 3em und 4em Gang. Dies sei lt. BMW aber normal.
Bei der F800GS haben wir die Gabelsimmeringe in einer BMW-Werkstätte in Alaska wechseln lassen, da wir einen Gabelölverlust hatten. Nur 600 km später waren sie leider wieder undicht. Austausch oder Nachbesserung der Werkstätte war nicht drinnen. Nach diversen Ausreden wurden wir mit dem Hinweis, dass ich das Motorrad ja „bewegt“ habe – „Was soll man sonst mit einem Motorrad machen, außer damit zu fahren?!“ - abgespeist. Die einzige Möglichkeit in dieser Situation als Reisender ist leider auf dem gesamten Schaden sitzen zu bleiben. Ein Schreiben an BMW Nordamerika blieb unbeantwortet.
Bestellen eines Gabel-Gleitrohrs in den USA: Das Ersatzteil kostet erstens einmal das doppelte wie in Deutschland und zweitens beträgt die Lieferzeit, für ein in Deutschland lagerndes Teil, ganze 2-8 Wochen. Eine genaue Lieferauskunft bekommt man als Reisender nicht. „Wann es genau ankommt, weiß man erst, wenn es da ist!“ Falls einem sowas am Anfang der Saison in manchen Gegenden passiert, ist diese Saison bereits vorüber, noch bevor man eine einzige Ausfahrt gemacht hat. Für uns als Reisende stellte diese Lieferzeit ein weiteres Problem dar: eine Lieferzeit von rd. 2 Monaten gegen Ende des Visums! Wenn man bedenkt, dass die meisten nur ein 3-Monatsvisum bekommen, kann das zeitlich schon mal sehr eng werden! Wir hatten Glück und konnten es zu einem Freund von Freunden bestellen, der es uns in die USA mitnahm. Andernfalls hätten wir es zu unserer Familie bestellt und mittels DHL in die USA liefern lassen. Dauert übrigens je nach Tarif nicht viel länger als 7 Werktage und ist auch nicht viel teurer. Eine Express-Lieferung direkt zu einer BMW-Werkstätte war übrigens nicht möglich - diese Möglichkeit wurde von BMW-Deutschland unterbunden.
Die Montage des Gleitrohres bei BMW in San Francisco wurde rasch und ordnungsgemäß durchgeführt. So schien es zumindest zu Beginn. Kurze Zeit später mussten wir leider feststellen, dass die netten Herren vergessen hatten, alle Schrauben wieder anzuziehen. Zum Glück haben wir das Problem zeitig erkannt und es ist nichts passiert, denn vergessen wurden das Anziehen der Schrauben der Gabel selbst!
Noch in den USA wollten wir eine Schraube nachkaufen, die den Motor an den Rahmen fixiert. Diese ist wohl durch die vielen Vibrationen verloren gegangen. Da unser Quartier in San Diego gleich neben dem offiziellen BMW-Händler lag, haben wir dort nachgefragt. Antwort: 3-4 Wochen Lieferzeit. Grund: die Schraube muss in Deutschland bestellt werden. Die gleiche Schraube gibt’s bei Home Depot um ein paar Cent. Nur eben mit einem Inbus- anstatt mit einem Torx-Kopf. Das BMW nicht einmal Schrauben lagernd hat, ist kein Problem in Europa oder in den USA (die Baumärkte haben auch metrische Schrauben im Sortiment). In Zentral- und Südamerika wird das schon etwas schwieriger, da bei BMW-Motorrädern Schrauben mit metrischem Gewinde („metric“) verbaut sind und man in Zentral-/ Südamerika normalerweise nur Schrauben mit Zollgewinde („imperial“) bekommt. Andere Schrauben muss man oft lange suchen und die Auswahl ist beschränkt.
Wenn man mit Schlauchreifen unterwegs ist, sollte man auch zusätzlich zum Reparatur-Kit auch einen Ersatzschlauch mitnehmen. Und wenn man schon bei einem BMW-Händler ist oder bei einem vorbeifährt, kann man ja gleich mal nachfragen, ob sie auch Schläuche für Reifen lagernd haben. Dachten wir zumindest. Von Kalifornien bis Guatemala hatte leider keiner der offiziellen BMW-Werkstätten auch nur einen Schlauch lagernd (nachgefragt bei 5 Werkstätten).
Reifen wuchten lassen ist in vielen Gegenden der Welt nicht so gängig. Also dachten wir uns, besuchen wir in Mérida (Yucatán, Mexico) die große BMW-Werkstätte (wurde uns vielfach angepriesen), die wird das wohl können. Immerhin verkaufen sie Motorräder für schlappe 26.000 USD und mehr. Als wir nach wuchten fragten, wurden wir jedoch mit großen Augen angestarrt. Nein, sowas können sie nicht und warum wir so etwas überhaupt machen möchten. Später erfuhren wir von einem anderen F800 GS Fahrer, dass diese Werkstatt auch nicht den Wechsel eines Gabelsimmerings durchführen konnte. Die Mechaniker waren übrigens richtig happy, wie ihnen dann dieser nette Herr gezeigt hat, wie so etwas geht. Wenn ein Doktor der Betriebswirtschaftslehre ohne Mechaniker-Ausbildungshintergrund einen zertifizierten BMW-Mechaniker „ausbildet“, dann sollte man sich Sorgen um sein Motorrad in dieser Werkstatt machen.
Ölfilter kaufen bei BMW in Guatemala. Welche Überraschung: es sind keine Ölfilter lagernd und müssten bestellt werden. Diesmal aber erfreuliche Nachrichten: nur eine Lieferzeit von etwa 3 Wochen (natürlich ohne Liefergarantie). Aber wir können ja auch einfach einen anderen Ölfilter kaufen, der gerade lagernd ist und diesen montieren. Nein danke! - Dieser hat aus gutem Grund eine andere Teilenummer - weil er schlicht und einfach nicht passt.
Als unser erstes Problem mit einer offiziellen BMW-Werkstätte auftauchte, dachten wir uns noch, eine faule Zitrone erwischt zu haben und dass man einfach mal etwas Pech haben kann. Aber so viele Probleme können doch fast kein Zufall mehr sein.
Und jetzt verfügen unsere Motorräder noch nicht einmal über viel Elektronik oder wären kompliziert aufgebaut. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, was uns blühen würde, falls man in solchen Werkstätten mit einer 1250GS auftaucht.
Einen Punkt, der BMW leider auch nicht besser aussehen lässt, müssen wir hier fairerweise anbringen. Andere Marken sind ebenfalls nicht besser in ihrem Service. Alle anderen Reisenden, die wir bisher trafen, hatten auf unterschiedlichen Motorrädern und Marken ähnliche Probleme. Aber ein großes Interesse an einer Änderung scheint BMW nicht zu haben, da unsere Anfragen an BMW zu diesem Thema alle ignoriert wurden.
Nach mehr als 50.000 km auf unserer Weltreise sind wir aber noch immer zufrieden mit unseren BMW-Motorrädern. Würden wir uns jedoch rein auf BMW und dessen Service - egal ob Ersatzteile oder Werkstätten - verlassen, wäre unsere Reise schon seit längerem zu Ende.
Unser Fazit ist also: BMW baut super Motorräder. Sobald man mit diesen jedoch den Verkaufsraum verlässt, wird man von BMW alleine gelassen.
Was sind eure Erfahrungen mit Motorradmarken oder Werkstätten?
So lange am Stück war ich noch nie unterwegs - die Längste Tour war 6'350 km nach Gibraltar. Somit häuften sich keine solche Erfahrungen an und die paar wenigen Pannen konnten per Versicherung und lokalen Werkstätten gelöst werden.
Dennoch hatte auch ich schon positive wie negative Erfahrungen:
Auf der Tour nach Gibraltar war bei der Yamaha R6 meines Kollegen aufgrund eines Umfallers der Kupplungshebel verbogen. Beim Yamaha-Händler in Montpellier sagte uns der Chef beim Verlassen des Ladens, er habe jetzt Mittagspause, wir sollen in 4 Stunden nochmals kommen -ja genau! Beim Yamaha-Händler in Barcelona war dann der Hebel innert 5 Minuten getauscht.
Gleiche Reise, diesmal Triumph in Malaga. Meinem Bruder brach der Kupplungshebel an seiner Speed Tripple aufgrund des gleichen…